Gerade im Fach Geschichte sind Fahrten zu außerunterrichtlichen Lernorten das berühmte Salz in der Suppe. Vor Ort kann man nicht nur besondere Informationen von kundigen Spezialisten erhalten, sondern allein das Verlassen des Klassenraums, das Eintauchen in einen anderen Kontext und die Kommunikation mit anderen als den üblichen Personen bieten Chancen, die Jugendliche gerne nutzen. Solche Formate sind in Zeiten der Pandemie nicht wie üblich möglich, aber es gibt lohnenswerte Alternativangebote mancher Museen und Gedenkstätten.
Von solch einer Möglichkeit machte auch die Klasse 9 des Gymnasiums Aulendorf Gebrauch, die im Geschichtsunterricht das Thema Nationalsozialismus behandelt hat, und zwar in Form eines Online-Seminars der Gedenkstätte Grafeneck. Thema war die sogenannte Euthanasie, also der Mord an Menschen mit Behinderung durch die Nationalsozialisten. Auch aus unserer Region Oberschwaben stammen viele der insgesamt knapp 11.000 Opfer, die mitten auf der Schwäbischen Alb im Zeitraum zwischen Januar und Dezember 1940 umgebracht wurden. Katrin Bauer, pädagogische Mitarbeiterin der Gedenkstätte, vermittelte in anschaulicher Weise den Aulendorfer Schülerinnen und Schülern nicht nur, warum und wie die Nationalsozialisten die Morde begingen und welche Spuren davon heute noch in Grafeneck zu sehen sind, sondern auch, wie die betroffenen Familien mit dem oft wenig verschleierten Verschwinden ihrer Angehörigen umgingen und wie zögerlich in der Nachkriegszeit das Thema Euthanasie behandelt wurde. Und sie kam geschickt ins Gespräch mit den Gymnasiasten, indem sie nicht nur viele Fragen beantwortete, sondern auch an die virtuellen Zuhörer richtete.
Für die Jugendlichen war das zweistündige Seminar eine willkommene Abwechslung zwischen den vielen „normalen“ Videokonferenzen in Zeiten des Fernunterrichts. Sich gegenwartsorientiert mit unserer deutschen Vergangenheit zu beschäftigen, ist richtig und wichtig. Eine Schülerin formulierte: „Ich fand die Online-Veranstaltung sehr informativ und hilfreich. Ich war schockiert, wie schlimm die Zustände in Grafeneck waren und wie rücksichtslos und gefühlskalt man diese Menschen getötet und ‚entsorgt‘ hat.“ Eine andere resümierte: „Auch die Art, wie alles festgehalten wird, finde ich beeindruckend, und auch, dass man so einen großen Wert drauf legt, dass nichts verloren oder vergessen wird. Ich denke, genau das brauchen wir, um uns zu erinnern.“ Und schließlich eine dritte: „Ich finde es schön, dass jetzt wieder Behinderte dort wohnen und keine Angst haben dort zu sein.“